Innsbrucker*innen

Adressbücher aus dem 19. und 20. Jahrhundert

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I 43
Bürgermeister mit seinen Stellvertretern,
die Direktionskanzlei und ein Teil des
Magistrates in die alten Räume in der Maria¬
Theresien-Straße zurück. In die durch den
Bombenangriff vom 16. Dezember 1944
schwer beschädigten Lokale des Stadtarchi¬
ves wurde im Laufe des Monats Juni mehr¬
mals eingebrochen.
Zu Beginn des Jahres waren alle Feuer¬
melder außer Betrieb. Zur Verwaltungsver¬
einfachung wurden ab 1. Jänner die Rund¬
funkgebühren vierteljährlich im vorhinein
(6 Mark) erhoben. Das Polizeirevier Nr. 1
wurde im 2. Stock der Neuen Universität un¬
tergebracht, die später auch ein Flücht¬
lingslager beherbergte. Aufnahmestellen für
Flüchtlinge wurden in verschiedenen Ge¬
bäuden, wie z. B. in Schulen, dem Not¬
burgaheim und im Mutterhaus bei der Müh¬
lauer Brücke eingerichtet.
Nach dem Zusammenbruch wurden die füh¬
renden Nationalsozialisten verhaftet und in
Gefangenenlager verbracht. Alsbald beginnt
die Entnazifizierung der Amter; zahlreiche
leitende Beamte wurden ihrer Stellen ver¬
lustig. An verschiedenen Plätzen der Stadt
werden politische Häftlinge zu Wiedergut¬
machungsarbeiten eingesetzt. Zur Feststel¬
lung der politischen Einstellung im Dritten
Reich werden von der amerikanischen und
später französischen Militärregierung an
Beamte und Angestellte ausführliche
Fragebogen ausgegeben.
Das Allgemeine Krankenhaus hatte, wie
das städt. Verwaltungsgebäude in der Fall¬
merayerstraße, mehrere schwere Bomben¬
treffer erlitten, besonders die medizinische
und Nerven-Klinik sowie das Wirtschafts¬
gebäude. Einzelne Abteilungen hatten Aus¬
weichstellen errichtet, so die Kinderklinik
im Volderwaldhof, die Infektionsabteilung
in Fulpmes und das Städtische Sanatorium
in Seefeld. Das in der Lehrerbildungsanstalt
untergebrachte Militärlazarett führte die
Militärregierung weiter, die später auch das
Sieberersche Waisenhaus und einen Teil der
Eisenbahndirektion als Spital einrichtete.
Ein kleiner Militärfriedhof wurde in der
Nähe der Pembaurbrücke errichtet. Der
Gesundheitszustand war das ganze Jahr
hindurch nicht ungünstig, wenn auch die
Sterbefälle zeitbedingt ziemlich anstiegen;
von Epidemien blieb die Stadt verschont.
Um das Zustandekommen kultureller Ver¬
anstaltungen und den französisch-österrei¬
chischen Kulturaustausch haben sich die
Vertreter der französischen Militärregie¬
rung besonders bemüht. Bei zahlreichen
Anlässen bekundeten der Höchstkomman¬
dierende, General Béthouart, der Gouver¬
neur, Se. Exzellenz Voizard, sowie die
Spitzen der verschiedenen Behörden ihre
Anteilnahme durch ihr persönliches Er¬
scheinen.
Konzerte und Vorträge nahmen nach dem
Zusammenbruch ungemein überhand. Sie
können, ebenso wie die zahlreichen Sport¬
veranstaltungen, in der folgenden Chronik
keine Aufnahme finden. Die bemerkenswer¬
testen Ereignisse, die in Innsbruck im Laufe
des Jahres 1945 eintraten und für die Stadt
mehr oder minder von Bedeutung oder In¬
teresse waren, werden nunmehr den einzel¬
nen Kalendertagen nach aufgeführt:
Jänner:
6. In den „Innsbrucker Nachrichten“ wird
vor Tieffliegerangriffen gewarnt.
7. Oberlandesgerichtsrat i. R. Dr. Franz
Tragseil, ehem. Landeshauptmannstell¬
vertreter, stirbt im Alter von 67 Jahren.
8. Einige Volksschulen der Stadtrand¬
gebiete nehmen den Unterricht auf.
10. Die Linie „1“ der Straßenbahn verkehrt
wieder zwischen der Mühlauer Brücke
und dem Gasthof „Grüner Baum“ (Ruine
seit dem ersten Bombenangriff vom
15. Dezember 1943).
15. Das Ernährungsamt wird in der Maria¬
hilfschule eröffnet.
Die Vorlesungen der Verwaltungsakade¬
mie werden bis 29. Jänner eingestellt.
23. Der Gasverbrauch wird — soweit er
überhaupt noch möglich ist, auf die Zeit
von 10 bis 14 Uhr beschränkt.
Alle Eil- und D-Züge werden eingestellt.
Das Reisen ist nur 75 km weit frei. Auch
in der Postbeförderung werden Ein¬
schränkungen vorgenommen.
24. Wildbret wird um die halben Fleisch¬
marken ausgegeben.
Februar:
1. Ein Teil der Schulen bleibt weiter (bis
1. März) geschlossen.
5. Die Lebensmittelkarten der 72. und
73. Zuteilungsperiode werden statt für
acht für neun Wochen ausgegeben.
Der Innsbrucker Nutzvieh- und Krämer¬
markt wird beim Gasthaus „Kapeller“ in
Amras abgehalten.
9. Das 80. Lebensjahr vollendet Univ.-Prof.
Dr. Kalinka, Ordinarius für klassische
Philologie von 1902 bis 1935, Rektor
1910/11, langjähriger Vorsitzer der Lehr¬
amtsprüfungskommission, besonders ver¬
dient um die Errichtung der neuen Uni¬
versitätsturnhalle.
10. Baronin Ada Fenner-Fennberg stirbt
87 Jahre alt; sie war am 20. Jänner 1858
in New York als Tochter des Oberkom¬
mandanten der Wiener 1848er-Legionäre
geboren, die letzte Enkelin des Regi¬
mentsinhabers der Tiroler Kaiserjäger,
Franz Philipp von Fenner.
14. Leichter Fliegerangriff.
15. Der Reichsminister der Justiz erläßt die
Verordnung über die Errichtung von
Standgerichten, bestehend aus einem
Strafrichter als Vorsitzer sowie einem
politischen Leiter oder Gliederungsführer
der NSDAP. und einem Offizier der Wehr¬
macht, der Waffen-SS. oder der Polizei
als Beisitzern.
16. Fliegerangriff mit Sprengbomben, beson¬
ders auf Pradl.
27. Fliegerangriff mit Sprengbomben.