I Chronik und Statistik 11 Erzählung in einer Nachricht aus dem Jahre 1471, da der Innsbrucker Goldschmied, Meister Heinrich, zu einer Dachreparatur herangezogen wurde. Das Goldene Dachl in seiner heutigen Gestalt, als reichverzierter Prunk¬ erker, wurde im Jahre 1500 von König Maximilian als ein Ruhmeszeichen für die Entwicklung des Hauses Habsburg und Sinnbild des erhofften goldenen Zeitalters in Auftrag gegeben. Die Ausführung besorgte der Hof- baumeister Nikolaus Türing. Eine Folge davon, daß sich der Landesfürst für dau¬ ernd in Innsbruck niederließ, war ein Anwachsen der Bevölkerung. Hofleute und Regierungsbeamte zogen zu und der Landadel hielt sich auch häufiger in der Resi¬ denz auf. Am Ausgange des Mittelalters dürfte Inns¬ bruck etwa 3000 Einwohner gezählt haben. Zweifellos wurden auch manche Häuser ausgebaut und vergrößert. Über die Anlage und Errichtung der schönen gotischen Lauben liegen gar keine Angaben vor. Im Jahre 1401 weilt König Ruprecht von der Pfalz in Innsbruck. Am 10. Juli 1415 trifft Herzog Ernst der Eiserne ein, um für seinen geächteten Bruder Herzog Friedrich die Regierung des Landes zu übernehmen. Da er alsbald die Herrschaft über Tirol ganz an sich reißen wollte, kam es zu einem Bruderzwist, den aber Herzog Friedrich dank der Anhänglichkeit der Tiroler für sieb entschied. Nach dessen Ableben (1439) kann sein unter Vormundschaft stehender Sohn Sigmund — den man den Münzreichen nannte — erst im August 1446 die Herr¬ schaft des Landes übernehmen. Bereits 1452 wird er in einen langwierigen Streit mit dem Bischof von Brixen. Kardinal Nikolaus von Cusa, verwickelt. Im Verlauf der Auseinandersetzung nimmt der Herzog den Bischof so¬ gar im Stifte Wilten im Juni 1457 gefangen. Herzog Sig¬ mund läßt sich in Innsbruck nieder und verleiht der Stadt 1460 einen Wochenmarkt. Unfähigkeit und Mi߬ wirtschaft zwingen den alternden Herzog, der seit 1477 den Erzherzogtitel führt, das Land seinem Vetter König Maximilian — seit 1508 Kaiser — zu übergeben. Kulturgeschichtlich von allgemeiner Bedeutung ist der große Hexenprozeß vom Jahre 1485, den der Domini¬ kaner Heinrich Institoris veranstaltete. Allein im Monat August 1485 spürte er in Innsbruck und Umgebung 40 der Hexerei Verdächtige — meist Frauen — auf. So wurde die Kleuberin aus Hötting beschuldigt, ihren eigenen Sohn durch dreimaliges Fasten an Sonntagen getötet zu haben, weil er gegen ihren Willen ein Weib nahm; die Swingeimentlin war angeklagt, sogar den Bar¬ bier des Erzherzogs verzaubert zu haben. Diese Fälle dienten Institoris zur Abfassung seines 1487 erstmals herausgegebenen „Hexenhammers“ (Malleus Malefica- rum), der die Regeln enthielt, nach denen in den folgen¬ den Jahrhunderten eine Unzahl unglücklicher Menschen, die man als Hexen oder Zauberer verdächtigte, den grau¬ samsten Martern ausgeliefert wurde. Am Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit steht — der altüberlieferten Zeiteinteilung der Geschichte nach — die imponierende wie eigenartige Persönlichkeit Kaiser Maximilian I. (König 1486; erwählter Kaiser 1508; ge¬ storben 1519), den man den „letzten Ritter“ nannte. Auch die Stadt Innsbruck, die er schon wegen der nahen Jagd¬ gelegenheiten oft und gerne besuchte, erlebte unter sei¬ ner Regierung eine wesentliche Veränderung und nahm neuzeitlichen Charakter an: der Hof gewann europä¬ isches Ansehen, ebenso einzelne Bauten, wie das Gol¬ dene Dachl und das Grabmal des Kaisers, und die Kunst der Harnischschläger, Plattner und Geschützgießer. Die Kaiserin Bianca Maria Sforza hielt sich lange in der Hofburg auf, wo sie am 31. Dezember 1510 einer Wasser¬ sucht erlag. Kein Geringerer als Albrecht Dürer schuf das älteste naturgetreue Bild von Innsbruck. Als Maximilian zu Allerseelen 1518 vom Reichstag in Augsburg nach Innsbruck kam, verweigerten die Wirte wegen der bereits bestehenden hohen Schulden die Un¬ terbringung des Trosses. Der darüber aufgebrachte Kai¬ ser, der damals wohl bereits schwer krank war, verließ daraufhin Innsbruck. So erfuhr sein Abschied von der geliebten Stadt eine gewisse Trübung. Reformation und Bauernaufstand verschonten auch Tirol nicht. Der Innsbrucker Apotheker Villinger nimmt den neuen Glauben an, dem auch der Arzt Dr. Johann Merl zugetan ist. Der Wiedertäufer Nikel Geyerbühler wird in Innsbruck ergriffen und enthauptet. Im Jahre 1562 beginnen die Jesuiten ihre Tätigkeit in Innsbruck, ein Jahr später die Franziskaner. Kaiser Ferdinand I. läßt für das Grabmal seines Großvaters Maximilian — der in Wels starb und in Wiener Neustadt beigesetzt wurde — eine eigene Kirche, die Hofkirche, erbauen, die im Februar 1562 geweiht wird. Der Buchdruck wurde in Innsbruck erst um 1550 ein¬ geführt, als ihn die Regierung zur Pierausgabe gedruckter Mandate dringend benötigte. Besonderes Ansehen genoß der Buchdrucker Hans Baur (r= latein. Agricola), der 1577 nach Innsbruck kam und hier durch 25 Jahre Bü¬ cher druckte, wie z. B. ein Drama vom Raub der Proser- pina, das vermutlich Erzherzog Ferdinand II. selbst ver¬ faßte. Nach dem Ableben Kaiser Maximilians I. bewohnte dessen Enkel Erzherzog Ferdinand I. als Gubernator von Tirol mit seiner Familie die Innsbrucker Hofburg. Auch nachdem er 1531 König (1556 Kaiser; 1564 gest.) gewor¬ den war, ließ er seine vielen Kinder (15, unter ihnen der spätere Kaiser Maximilian II. und Landesfürst Erz¬ herzog Ferdinand II.) in Innsbruck. Als am 9. Juni 1534 in der Hofburg ein Brand ausbrach, mußte die könig¬ liche Familie in einem Privathaus Zuflucht suchen. 1551 weilte auch der stark an Podagra (— Gicht) leidende Kaiser Karl V. hier. Erzherzog Ferdinand II., der Gemahl der schönen Augsburgerin Philippine Welser, übernimmt 1564 das Land und läßt Schloß Ambras zu einem fürstlichen Wohnsitz ausbanen. Am 17. Jänner 1567 zieht der Erz¬ herzog mit großem Pomp auf einem weißen Zelter unter einem Himmel, den junge Adelige tragen, ein. Die Stadt¬ obrigkeit verehrt ihm zur Begrüßung ein vergoldetes silbernes Trinkgefäß in der Form eines Adlers, der das Stadtwappen zeigt. Nachdem Mitte Februar 1580 die Hochzeit des Freiherrn Johann von Kolowrat, eines Vet¬ ters der Weiserin, mit großen Festlichkeiten, wie Turnie¬ ren, Ringelrennen usw., gefeiert worden war, erkrankte zwei Monate später Philippine an einem akuten Fieber, dem sie am 24. April erlag. Im Mai 1582 vermählt sich der verwitwete Erzherzog mit Anna Katharina Gonzaga von Mantua, die durch drei Triumphbögen in die Stadt einzieht. Zur Sicherheit vor Erdbeben, die schon 1572 (40 Erdstöße) und 1578 Schrecken und Schäden ver¬ ursachten, übersiedelte das Fürstenpaar im Mai 1583 in einen Holzbau im Hofgarten, die sogenannte Ruhelust, in der der Erzherzog auch am 24. Jänner 1595 stirbt. Da seine Söhne aus der Ehe mit der Weiserin nicht erbfolge¬ berechtigt waren und aus der zweiten Ehe nur Töchter stammten, übernahm nach längeren Verhandlungen im Juli 1602 Erzherzog Maximilian der Deutschmeister (ge¬ storben 1618) die Stelle eines Gubernators von Tirol. Das städtische Kanzleiwesen erlebte im 16. Jahrhun¬ dert wie das landesfürstliche mehrfache Verbesserungen. Die Inwohneraufnahmen werden in ein Verzeichnis, die Einbürgerungen in das Bürgerbuch eingetragen; Bürger¬ listen werden angelegt. Um 1527 beginnen fast gleich¬ zeitig die Verfachbücher und Ratsprotokolle, die anfäng¬ lich freilich noch ziemlich mager sind. Für die Stadt¬ kammer, das Spital und die St.-Jakobs-Pfarrkirche wur¬ den alljährlich genaue Abrechnungen angelegt. 1567 wird eine Einwohnerzählung durchgeführt, die ohne Hofstaat und Klosterinsassen 5050 Seelen ergibt. Die Matrikel¬ bücher der St.-Jakobs-Pfarrei beginnen, wie mehrere im Eisack- und Silltal, ziemlich früh, mit 1580. Drei Jahre später wird der Gregorianische Kalender eingeführt. Kriege — Krankheiten — Katastrophen Das 17. Jahrhundert, in dem Europa die Schrecken des 30jährigen Krieges erlebte, brachte Innsbruck zwar keine Kriegsschäden, aber eine Reihe von Unglücksfällen. Gleich 1602 zertrümmert ein Blitzschlag den Höttinger Kirchturm und 1608 fliegt die Pulverstampfe an der Sill in die Luft. 1611 wird die Stadt von einer verheerenden