Innsbrucker*innen

Adressbücher aus dem 19. und 20. Jahrhundert

vorhergehende ||| nächste Seite 12 Buch 1947
   
Neue Suche:
   


Volltext dieser Seite

Sie ziehen, Herr General, als Vertreter der Alliierten Mächte ein, welche uns
die Freiheit versprochen haben. Sie bringen uns die Freiheit der Gesinnung, die Frei¬
heit des Wortes, die Freiheit von Furcht und auch — ich bitte Sie darum — die
Freiheit von Not.
Ich weiß, es wird ein steiler und beschwerlicher Weg sein, der uns dorthin führt,
wohin wir streben. Aber wir Tiroler sind ein Volk mitten in den Bergen und sind
steile und beschwerliche Wege gewohnt.
Wenn Sie den Blick rings um unsere Stadt werfen, sehen Sie überall Berge und
Gletscher und viele davon sind so hoch, daß ihre Gipfel in die Wolken ragen.
Nehmen Sie dies als Symbol für unser Herz und unsere Seele: Gerade bei den Besten
von uns ist die Stirne, das Herz und die Seele von Wolken umhüllt vor Kummer
und Schmerz über all das, was seit dem Verlust unserer Freiheit über uns gekommen
ist und wie die Sturzbäche unserer Gletscher fließen noch immer die Tränen, die nie¬
mand trocknen konnte. Mein Heimatland Tirol und meine Vaterstadt Innsbruck
sind noch nicht so, wie sie einmal waren und wie sie sein sollten. Ich bin überzeugt,
daßs Sie meine Gefühle begreifen werden, denn auch in Ihrem Vaterlande Frank¬
reich ist kein Strom so groß wie der Strom der Tränen, welche die Kinder und
Söhne, die Frauen und Mütter Frankreichs vergießen.
Dafs Sie trotz der Sorgen, die in Ihrem eigenen Vaterlande noch herrschen, zu
uns gekommen sind, um uns zu helfen, verpflichtet uns zu besonderem Dank und ich
bin überzeugt, daß wir mit Ihrer Hilfe und durch unsere Arbeit das wieder errei¬
chen werden, was wir alle ersehnen und erstreben: eine freundliche, gastfreie Stadt
Innsbruck, die wie ein Edelstein zwischen den Bergen eingebettet liegt, ein glück¬
liches Land Tirol und ein freies, glückliches, selbständiges Österreich!