Ansprache des Bürgermeisters Dr. Melzer an General Béthouart am 18. Juli 1945 Am 18. Juli 194; hielt General Béthouart, der Oberbefehlshaber der Besatzungstruppen in Oesterreich, seinen Einzug in die Stadt. Im Riesensaal der Hofburg ließ er sich die geistlichen und weltlichen Würdenträger vorstellen und hörte ihre Wünsche. Auch Bürgermeister Dr. Melzer kam zu Wort. Seine Rede leitete die Epoche der notwendigen und ersprießlichen Zusammenarbeit ein zwischen der französischen Militärregierung und der Stadtverwaltung. Herr General! Diese Stadt, in der Sie heute Ihren Einzug halten, ist mit der Geschichte der letzten sieben Jahre und somit mit der Weltgeschichte in besonderer Weise verbun¬ den. Auf dem Boden dieser Stadt machte das ehemalige Österreich seine letzte An¬ strengung im Kampfe gegen Hitler-Deutschland; auf dem Boden dieser Stadt wurde die Proklamation vom 9. März roz8 erlassen, in der das österreichische Volk zur Volksabstimmung gegen den Nationalsozialismus aufgerufen wurde. Um diese Volksabstimmung zu verhindern, die hier in Innsbruck verkündet worden war, marschierte Hitler zwei Tage später in Österreich ein und trat es zu Boden. Auf dem Boden dieser Stadt wurde das letzte Kapitel des Dramas Österreich geschrie¬ ben und das erste Kapitel eines neuen Dramas, des Dramas Europa begonnen. Das kleine und schwache Österreich wurde überwältigt wie die zoo Spartaner vor den Thermopylen überwältigt worden sind. Aber wie diese Spartaner von der Weltgeschichte nicht vergessen wurden, so ist auch der Fall Österreich vor dem Welt¬ gewissen nicht unbemerkt geblieben. Von diesem Augenblicke an, wie von einem Blitzstrahl durchzuckt, begannen sich die Widerstandskräfte des ganzen Erdballs zu sammeln und zu mobilisieren zum Kampfe gegen Tyrannei und Vergewaltigung. Es war ein unendlich weiter und furchtbarer Weg von der Innsbrucker Proklamation der österreichischen Volksabstimmung bis zum heutigen Tage, an dem Sie als Ver¬ treter Frankreichs in Innsbruck einziehen. Ich glaube daher sagen zu dürfen, dafs der Boden Innsbrucks ein historischer Boden ist und daß der Tag, an dem Sie hier Ihren Einzug halten, als historischer Tag in die Geschichte unseres Landes ein¬ gehen wird.