Innsbrucker*innen

Adressbücher aus dem 19. und 20. Jahrhundert

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I
Chronik und Statistik
9
Leitfaden der Geschichte Innsbrucks
Von Dr. Karl Schadelbauer
Die Nachrichten über den Ort „Innsbruck“ beginnen
im 12. Jahrhundert. Bereits im Jahre 1138 hatte der junge
Orden der Prämostratenser das Stift Wüten übernom¬
men, das den ganzen Grund zwischen Inn und Sill besaß.
Kurz zuvor war Herzog Heinrich der Stolze von Bayern
in das Inntal eingefallen und hatte das Schloß „Homeras“
(— Amras), das den bayrischen Grafen von Andechs
gehörte, zerstört. Dabei eroberte der Herzog vermutlich
auch jenen Hof, den sein Sohn Heinrich der Löwe um
1150 dem Stifte Wilten schenkte.
Wie die Siedlung entstand
Die Grafen von Andechs, die ihren Stammsitz am Ani-
mersee hatten, besaßen am linken Innufer einen kleinen
Markt, etwa dort, wo der Fluß mittels einer dem Stifte
Wilten gehörigen Fähre übersetzt werden konnte. Da die
Andechser Anhänger des Herrscherhauses der Hohen¬
staufen waren, errichteten sie wahrscheinlich nicht nur
für die ganzjährig auf der Brennerstraße nord- wie süd¬
wärts ziehenden Kaufleute, sondern besonders zur Erleich¬
terung der mehrmaligen Italienzüge Kaiser Friedrich Rot¬
barts nahe jener ursprünglichen Fähre eine feste, das ganze
Jahr über benützbare Brücke. Diese etwas vor 1180
erbaute Brücke gab dem Ort alsbald den Namen „Ins-
prucke“, der erstmals 1187 vorkommt.
Um die Brückenköpfe auf beiden Ufern auf eigenem
Besitz beherrschen und verteidigen zu können, hat Graf
Berthold III. von Andechs im Jahre 1180 eine größere
Grundfläche am rechten Innufer, im Gebiet der heutigen
Altstadt, vom Stifte eingetauscht, seinen Markt dahin
verlegt und vergrößert. Zum Dank für das gezeigte Ent¬
gegenkommen schenkte der Graf der Wiltener Kirche einen
wertvollen Kelch, der heute noch im Wiener Kunsthistori¬
schen Museum als hervorragende Kostbarkeit aufbewahrt
wird.
Dieser neue Markt mußte nun möglichst rasch mit
Graben, Mauern und Tortürmen befestigt werden. Am
südlichen Brückenkopf, an der Stelle der heutigen Inn-
kaserne (jetzt Dankl-Kaserne), erbauten sich die Andechser
auch einen festen Sitz, der nach dem in ihrem Geschlechte
häufigen Vornamen „Otto“-Burg genannt wurde. Nach¬
dem diese Befestigungsanlagen vollendet und der neue
Markt auch einigermaßen besiedelt war, verlieh Herzog
Otto von Andechs dem nunmehr 60 Jahre alten Ort ein
eigenes Stadtrecht. Diese Urkunde, das älteste und wert¬
vollste Stück des Stadtarchivs, wurde am 9. Juni 1239 aus¬
gestellt.
Was enthielt nun das Stadtrecht von 1239? Herzog Otto
erklärt einleitend, daß er nach reiflicher Überlegung
seiner Stadt Innsbruck und ihren Bürgern das nachfolgende
Recht verleihe, wie es von seinen Vorfahren nach Erb¬
recht auf ihn gekommen sei. Dieser letzte Beisatz stützte
die Ansicht, daß bereits im Jahre 1180 die neue Markt¬
siedlung jenes Recht erhalten habe, daß also der junge
Markt am rechten Ufer bereits das Ansehen einer Stadt
besaß. Demnach hätte auch Arnold von Lübeck in seinen
Annalen zum Jahre 1209 Innsbruck ganz recht als Stadt =
civitas bezeichnet. Auf seine Frage, was das für ein Ort sei,
wird man ihm eben gesagt haben, die „Stadt Innsbruck“.
Die Rechtssätze, die anschließend im Stadtrecht ange¬
führt werden, umfassen drei Gruppen. Zuerst werden
handelspolitische Bestimmungen über die Warenniederlage
und die Zollfreiheit getroffen, anschließend solche über
die Weidegemeinschaft, die Richter- und Gerichtsboten¬
wahl, die Auflage einer Steuer und die Pfändung. Die
Münze, die eine Zeitlang in Innsbruck bestand, sollte nach
dem Augsburger Fuße prägen. Eine zweite Gruppe legte
die Strafsätze für strafrechtliche Vergehen fest, wie für
Tötung, Lähmung, Heimsuche (d. i. das feindselige Nach¬
eilen in ein fremdes Haus) und Maulschlag. Den Abschluß
bilden privatrechtliche Vorschriften über die Ersitzungs¬
frist, die Erwerbung des Bürgerrechtes und die letzt¬
willigen Verfügungen.
Das alte Stadtbild
Wie sah nun Innsbruck um das Jahr 1300 aus? Am
linken Innufer, an der Stelle des ältesten Marktes, zog sich
eine mit unbebauten Grundstücken durchbrochene Häuser¬
zeile von der Innbrücke etwa 200 Meter gegen Westen und
mehr als doppelt soweit gegen Osten (Sankt Nikolaus) hin.
Diese zwei Stadtteile bezeichnete man später bis in die neue
Zeit herein als die Obere und Untere „Anbruggn“. Auch
die an der nach Hötting hinaufführenden Gasse gelegenen
Häuser gehörten zur Stadt.
Das am rechten Ufer gelegene Stadtgebiet war von einer
Pvingmauer umgeben. Vom Inntor ausgehend, wich diese
vom Ufer zurück und zog sich in einem großen Bogen,
dem heutigen Markt- und Burggraben entlang, bis zu
jener Stelle, wo das Rumer- oder Saggentor, das ist jetzt
der Torbogen ITofgasse-Universitätsstraße, den Zugang
von Amras und Pradl her vermittelte. Beim heutigen
Rennweg verlief die Stadtgrenze der Hofburg entlang,
nördlich etwas zurückliegend, folgte dann der jetzigen
Herrengasse bis zum Inn und kehrte dem Ufer nach zur
Brücke zurück.
Die Ausmaße des Altstadtgebietes waren bescheiden. Die
Flußseite maß etwa 300 Meter, die Ostseite 150 Meter und
die gerade Verbindung vom Inn- zum Rumertor durch die
Stadt 270 Meter. Bis zum Stifte Wilten und damit zu der
für die Stadt zuständigen Pfarrkirche war ein etwa 1500
Meter langer Weg durch Wiesen und Äcker zurückzulegen.
Südlich und östlich der Stadt erstreckte sich das gleichfalls
zum Anbau geeignete, weite Gelände, das man „Sakken“
nannte.
Nach 1250 war der Platz in der Altstadt, wenn es auch
da und dort noch ein unbebautes Grundstück gab, bereits
so knapp geworden, daß eine Erweiterung nach irgend¬
einer Seite nötig wurde. Die Richtung hiefür wies der
wichtigste Straßenzug, der nach Süden gegen Wilten und
zum Brenner, die heutige Maria-Theresien-Straße. Im
Jahre 1281 erwarb nun der tatkräftige Graf Meinhard II.
von Tirol wieder durch einen Tausch (wie 1180) vom Stifte
Wilten alle Rechte, die es in der „Neustadt“ („in Nova
Civitate in Insprukk“) besaß. Das Gebiet zu beiden Seiten
der jetzigen Maria-Theresia-Straße bis zur Triumphpforte
nannte man also bereits damals „Neustadt“. Der wichtigste
Bau darin war das Stadtspital zum Heiligen Geist, das bald
nach 1330 errichtet wurde.
Alte Handelsstadt
Woher kamen die ältesten Innsbrucker Bürger, welche
Berufe übten sie aus und wie zahlreich waren sie? Diese
Fragen lassen sich nur sehr dürftig beantworten. Personen
mit dem Beinamen Phenninc = Pfennig, Hallar = Heller
und ebenso lateinisch Obolus sowie Helbling = Halbpfen¬
nig standen zweifellos mit der andechsischen Münzstätte
in Beziehung und zählten zu den angesehensten Geschlech¬
tern der jungen Stadt. Oft fügten sie ihrem Namen noch
den Wohnsitz, wie z. B. Innsbruck, Lans, Sistrans oder
Straßfried (verfallenes Schloß unter Vill) bei, so daß sich
also ein Familienmitglied Konrad Obolus von Sistrans
nannte. Die Helbling führten den Vogel Greif im Wappen.
Zu den vornehmsten Bürgern zählte auch Heinrich Hüter
(lateinisch Pileator = Hutmacher), in dessen Haus 1235
selbst Graf Albert von Tirol verkehrte, und Conrad
Runter, nach dessen Familie vermutlich das Rumertor und
die Rumergasse benannt wurden. Die Familie Füllsack, die