Innsbrucker*innen

Adressbücher aus dem 19. und 20. Jahrhundert

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GELEPT
Das erste Adreßbuch, das in der neuen Zeit nach 1945 erschien, war das „Jahrbuch und Ein¬
wohnerverzeichnis der Landeshauptstadt Innsbruck 1947“, es trägt den Stempel der ersten Nach¬
kriegszeit: die weltgeschichtlichen Ereignisse dieser Zeit fanden darin ihren Niederschlag in der
Ansprache des Bürgermeisters Dr. Melzer an General Béthouart am 18. Juli 1945 und der
Proklamation des letzteren an die Bevölkerung Tirols vom selben Datum.
Fünf Jahre sind seither vergangen. Der Fortschritt, den unser Heimatland Österreich auf
allen Gebieten seit dieser Zeit zu verzeichnen hat, ist so groß, wie man sich ihn im Jahre 1947
kaum hätte vorstellen können; es genügt, die Ansprachen, welche in der ersten konstituierenden
Sitzung des Gemeinderates am 4. April 1946 gehalten wurden, zu lesen, um zu sehen, wie viele
dringende Probleme heute uns kaum mehr erinnerlich sind; das Wort „Kalorien“ ist uns ein
unbekannter Begriff geworden!
Geblieben ist uns die Erringung der Freiheit Österreichs und die Frage der Behebung der
Wohnungsnot.
Ein Adreßbuch soll vor allem wirtschaftlichen Zwecken dienen, ein Helfer für den Bürger
sein, der alle von ihm benötigten Daten und wissenswerten Einzelheiten aus demselben entnehmen
kann, sei es Name, Stand und Wohnung seiner Mitbürger, Sitz der Behörden, die nur in der
Gemeinde geltenden besonderen Vorschriften, Verzeichnis der Geschäftswelt u. dgl.
Darüber hinaus aber hat das neue Adreßbuch eine sehr wichtige kulturelle Aufgabe. Jeder
Mitbürger entstammt der Gemeinschaft einer Familie, der Gemeinde oder — nach der Einge¬
meindung — seinem Ortsteil, da im Jahre 1904 mit der Eingliederung Pradls und Wiltens, alte,
bis dorthin geschlossene Gemeinden, und dann in der Folgezeit Hötting, Mühlau, Amras, Arzl,
Vill und Igls, in den Verwaltungsbereich der Gemeinde einbezogen wurden.
Dies soll jedoch nicht bedeuten, daß damit diese Ortsteile ihr Eigenleben aufgeben; im Ge¬
genteil, die Bewohner dieser Ortsteile sollen nach wie vor ihre Eigenständigkeit, ihre besonderen
sozialen und wirtschaftlichen Zusammenhänge bewahren, die althergekommenen Bräuche pfle¬
gen und sich im Rahmen der Stadtgemeinde als eine eigene Gemeinschaft mit all den kulturellen
Werten, die eine solche zu geben vermag, fühlen.
In unlösbarem Zusammenhang damit steht die Pflege der Geschichte unserer Heimat, des
Schicksales unserer Vorfahren, ihrer Verdienste und Leistungen, der geschichtlichen Entwick¬
lung, der wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen Begebenheiten u. dergl. Ein Bürger, der noch in
seiner Gemeinschaft lebt, kann nie restlos entwurzelt werden, solange er das Gefühl hat, einer
Gemeinschaft dieser Art anzugehören. Diesem Gefühl der Wertung der Verdienste unserer Vor¬
fahren, dem Stolz auf deren kulturelle Leistungen, der Kenntnis der Geschichte unserer Heimat
soll das neue Adreßbuch in enggezogenen Grenzen ebenso Rechnung tragen, als es späteren
Generationen Kunde unserer Zeit bringen soll.
In diesem Sinne wünsche ich dem Adreßbuch eine weitestgehende Verbreitung in der
Bevölkerung.
C
Bürgermeister